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Kreuzbandriss - ab wann darf man wieder?

Ein Kreuzbandriss verlangt nicht nur langwierige Reha-Maßnahmen, auch das Risiko, sich erneut zu verletzen, ist sehr hoch. Unter dem Begriff „Return to Competition“ forscht die Deutsche Sporthochschule Köln an einem Testverfahren, um den besten Zeitpunkt für die Rückkehr in das Training und in den Wettbewerb zu ermitteln.

Er ist das Schreckgespenst aller Sportlerinnen und Sportler – der Kreuzbandriss. Lange Ausfallzeiten, aufwändige Therapie- und Rehabilitationsmaßnahmen und ein hohes Risiko, sich erneut zu verletzen. Denn: Das größte Risiko für eine Verletzung ist eine Verletzung. So beträgt das Wiederverletzungsrisiko bei Knie- und Muskelverletzungen bis zu 30 Prozent, bei Sprunggelenksverletzungen sogar bis zu 80 Prozent. Ein geeignetes Testverfahren, welches den optimalen Zeitpunkt für eine Rückkehr in den Sport bestimmt, gibt es allerdings nicht.

Unter dem Begriff „Return to Competition“ widmet sich Dr. Christiane Wilke an der Deutschen Sporthochschule Köln diesem Forschungsthema. „Darunter verstehen wir im weitesten Sinne die Rückkehr eines Athleten in den Wettkampfsport nach einer Verletzung. Dieses Thema ist von großem Interesse, sowohl in der Forschung, als auch in der Praxis“, erklärt sie.

Einen Schub erfuhr die wissenschaftliche Bearbeitung des Themas durch die Zusammenarbeit der Deutschen Sporthochschule Köln mit der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG). Als Berufsgenossenschaft ist die VBG auch zuständig für den bezahlten Sport, das heißt im Falle eines Arbeitsunfalls eines Profisportlers beziehungsweise eines bezahlten Amateursportlers kommt sie für Teile des Gehaltsausfalls und die Therapie auf. Laut VBG ist die Ruptur des vorderen Kreuzbandes mit einer sportartübergreifenden Ausfallzeit von durchschnittlich 258 Tagen eine der gefürchtetsten Diagnosen im Teamsport. Die oftmals zitierten sechs Monate Ausfallzeit seien selbst in den professionellsten Ligen Deutschlands nicht ausreichend, um SportlerInnen wieder sicher und belastbar in den Sport zurückzuführen.

„Der Versicherungsträger hat ein großes Interesse daran, dass SportlerInnen vollständig und nachhaltig an ihren Arbeitsplatz, sprich ins Wettkampfgeschehen, zurückkehren“, erklärt Wilke die Ursprungsidee des Projekts. Sie interessiert sich vor allem für die Frage, wie dieser Rückkehrprozess standardisiert, verlässlich und stufenweise gestaltet sein kann. Dahinter steht aber auch die Idee des so genannten Pre-Injury-Screenings: „Eine durchgehende standardisierte Leistungsdiagnostik würde es ermöglichen, die individuellen leistungsbezogenen Daten aller Spielerinnen und Spieler zu dokumentieren; diese könnten im Verletzungsfall als Referenzwerte herangezogen werden.“

Anhand von Literaturanalysen und Expertenworkshops suchte die Arbeitsgruppe passende Testverfahren heraus und stellte diese zu einer siebenteiligen sportmotorischen Testbatterie zusammen. Gemeinsam mit dem Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des FC Viktoria Köln 1904 e.V. sind nun die ersten Messungen mit dem entwickelten Testportfolio angelaufen. „In diesem Sommer haben wir die komplette Spielerriege des NLZ von der U7 bis zur U19 durchgetestet; das waren 200 Spieler“, beschreibt Wilke das Testprozedere. Das Besondere: Die Tests werden nicht nur quantitativ mit Zeiten und Weiten ausgewertet; alle Sportler werden bei den Testungen gefilmt, sodass nachher eine Videoanalyse der Bewegungsausführung und damit eine qualitative Bewertung möglich ist, die in einem weiteren Schritt auch in Korrelation zu den reinen Messwerten gesetzt werden kann.

Anstatt ihrer Trainingseinheit auf dem Fußballplatz kommen die Viktoria-Spieler an den Untersuchungstagen auf die Trainingsfläche des Instituts. Vier Stunden sind dann für die Testungen von acht Spielern angesetzt. Das Testprogramm beginnt mit einfachen, eindimensionalen, statischen Übungen wie dem Step-down-Test, dem Heruntersteigen einer Stufe, oder dem Y-Balance-Test. „Bei den ersten Tests schauen wir uns vor allem die Stabilität der unteren Extremität an, zum Beispiel ob es Ausweichbewegungen der Hüfte oder des Knies gibt“, erklärt Wilke. Beim Counter-Movement-Jump (Vertikalsprung einbeinig) landen die Sportler auf einer Matte, die die Sprunghöhe misst. Beim Single-Leg-Hop-For-Distance (Standweitsprung einbeinig) wird die Weite gemessen. Die Qualität von Absprung und Landung wird jeweils per Video bewertet. Anstrengender wird es für die Probanden dann mit dem Side-Hop-Test, dem Speedy-Jump-Test und dem abschließenden Lower-Extremity-Functional-Test (LEFT). „Die Tests auf höherem Level sind sehr dynamisch, es kommen abrupte Start-Stop-Bewegungen und Richtungswechsel hinzu. Zudem spielen auch die einsetzende Ermüdung und die Psyche eine Rolle“, sagt Wilke. „Hier kann man gut sehen, wer die Bewegungsqualität trotz der Herausforderungen hoch halten kann. Und es ist wichtig, dass wir die Ausweichbewegungen per Video erfassen, weil wir mittlerweise wissen, dass bestimmte Bewegungsmuster auf Verletzungsmechanismen hindeuten.“

Zum jetzigen Zeitpunkt eindeutige Ergebnisse zu benennen, ist laut Wilke noch schwierig: „Wir sind noch dabei, Referenzdaten zu erheben. Aber die Testbatterie hat in Einzelfällen bereits auf Verletzungsrisiken hingedeutet. So haben sich tatsächlich zwei Spieler verletzt, die schlechtere Werte aufwiesen als ihre Mitspieler. Das ist zwar noch nicht evidenzbasiert, aber auch Erfahrungen sind für uns relevant.“ Eine andere Erkenntnis: „Sehr interessant war für uns zu sehen, dass die Leistungswerte ab der U14 sehr homogen werden, wohingegen die Leistungsunterschiede zwischen U7 und U14 sehr stark auseinanderklaffen; je älter die Spieler werden, desto enger liegen die Leistungswerte zusammen.“

Im nächsten Projektschritt werden Normdaten bei AthletInnen weiterer Sportarten und bei gesunden Probanden erhoben. Selbst bei gesunden SportlerInnen seien Dysbalancen der unteren Extremität keine Seltenheit und stellten unter Umständen ein erhöhtes Verletzungsrisiko dar, so Wilke. Daher sei die Testbatterie auch als Pre-Injury-Test so wertvoll, damit rechtzeitig Maßnahmen im Training eingeleitet werden können, um es gar nicht erst zu einer Verletzung kommen zu lassen.

Text (gekürzt): Julia Neuburg

Der Beitrag stammt aus FORSCHUNG AKTUELL - November/Dezember 2018

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