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Machen Sportvereine kaputt?

Sport wird gefährlich, wenn Jugendtrainer dilletantisch arbeiten. Werner Bartens weist mit seinem Buch "Verletzt, Verkorkst, Verheizt" auf Mißstände im Jugendsportbereich hin.

Sie waren gemeinsam mit ihren Freunden als Kinder oder als Jugendliche im Verein und haben viel Sport getrieben? Wunderbar! Und wieviele ihrer Bekannten haben heute, so mit 40 oder 50 Jahren, massive körperliche Probleme, die sie auf diese Zeit zurückführen? Oha, dann doch so viele?

Genau darum geht es in Werner Bartens Buch: "Verletzt, verkorkst, verheizt - Wie Sportvereine und Trainer unsere Kinder kaputt machen". Der Autor ist Leitender Redakteur im Wissensteil der Süddeutschen Zeitung, aktiver Hobbysportler und hatte als fünffacher Vater ausreichend Gelegenheit, sich mit den Verhältnissen in Sportvereinen auseinanderzusetzen. Seine Botschaft lautet: Sport im Verein ist etwas Wunderbares - falscher Sport hingegen ist gefährlich!

Risiken und Nebenwirkungen bei ehrenamtlichen Trainern

Nach Werner Bartens mangelt es den Jugendtrainern nicht an gutem Willen, aber sehr oft an Sachkenntnis. Fast alle sind Ehrenamtliche, und was sie selbst in jungen Jahren als "Training" erfahren haben, geben sie heute einfach an ihre Jungs und Mädchen weiter, auch wenn es damals schon falsch war. Zu wenige von ihnen nehmen sich die Zeit, mithilfe von Lehrgängen ein sportmedizinisches oder physiotherapeutisches Grundwissen zu erlangen, um ein wirklich gesundes Training anbieten zu können. Auch die Vereinsoberen legen hier viel zu wenig Wert auf Qualifikation, sind sie doch meistens schon froh, wenn sie überhaupt einen Trainer für ihre Kinder und Jugendlichen verpflichten können.

Vorsätzliche Körperverletzung: riskante Übungen

Sehr informativ ist der Abschnitt, in dem Werner Bartens ein paar "Klassiker" der Leibesertüchtigung auseinandernimmt. Klappmesser, Sit-ups, Kastenspringen, Froschhüpfen, Entengang, Kniebeugen mit Gewicht, Medizinballwerfen oder statische Dehnübungen an der Wand sind der heutigen Elterngeneration noch wohl bekannt und ehrlich verhasst. Zurecht, sagt Bartens, denn sie sind aus sportmedizinischer Sicht schlicht und einfach Gift für den Körper. Und das gilt insbesondere für die Körper von Kindern und Jugendlichen, die noch nicht ausgereift und deshalb besonders anfällig für (Langzeit-)Schäden sind. Und doch gibt es diese "Übungen" immer noch!

Über den Schmerz trainieren

Eine weitere schlechte Eigenart ist die Bereitschaft, über den Schmerz zu trainieren. Warum eigentlich? Schmerzen sind Warnsignale unseres Körpers, die auf Verletzungen oder Überlastungen aufmerksam machen. Hier wären also dringend Ruhephasen geboten und keine Ermahnungen "sich auf die Zähne zu beißen".

Sportmediziner und Orthopäden sind sich darüber einig, dass schwere Arthrose bei Athleten, die Kontaktsporten wie Fussball oder Handball ausübten, zumeist eine Vorgeschichte hatte. Fast immer sind es Schäden an Sehnen, Muskeln, Bändern und Knorpeln, die dauerhauft ignoriert wurden und am Ende in die Arthrose führten.

Die früh gelernte Ignoranz gegenüber Schmerzen zeigt sich auch im gewaltigen Konsum von Schmerzmitteln wie Aspirin, Ibuprofen oder Diclofenac. Nur ein Problem von Erwachsenen? Leider nein. Bartens führt an, dass die Ignoranz gegenüber Schmerzen und die inflationäre Einnahme von Schmerzmitteln bereits im Jugendsportbereich fest etabliert ist.

Sport mit Spaß und Augenmaß

Der Autor schlägt noch den Bogen zu "Ernährungswahnsinn" und "Die Mär von Fairplay und Teamgeist". Ist sein Buch damit ein Rundumschlag gegen den Sport im Verein? Ganz und garnicht! Werner Bartens möchte wieder den Spaß und das Spielerische am Sport in den Mittelpunkt stellen. Die Verantwortlichen sollen sich aber klar machen, dass mehr Wissen und mehr Augenmaß notwendig sind, damit der Jugendsport seine originäe Aufgabe erfüllen kann: die Kinder gesund halten und ihren Gemeinschaftssinn stärken. Empfehlenswert!

Achim Bartscht, citysports.de, 19.10.2016

Werner Bartens: Verletzt, Verkorkst, Verheizt - Wie Sportvereine und Trainer unsere Kinder kaputt machen. Droemer Verlag, 14,99 Euro.