Sport gegen das Klingeln im Ohr!

Ein moderates Maß an körperlicher Aktivität ist oft genauso wirksam wie Medikamente. Auch in der Therapie des Tinnitus kann ein Bewegungsprogramm zu guten Ergebnissen führen. Foto: Diagnostikzentrum Scheidegg, Friedrichshafen, Pfronten

Tinnitus kann zwar aus Knall-, Explosions- und Lärm traumen entstehen, ist aber in über 90 Prozent der Fälle eine Folge von länger anhaltender Stressbelastung. Wenn ein Bewegungsprogramm in der Therapie des Tinnitus eingesetzt wird, so muss dies es zum Stress-Abbau dienen; dazu ist der Sport ideal. Es eignen sich also lockere entspannte Trainingseinheiten.

Sehr wichtig ist es daher, dass sich Menschen mit Tinnitus nicht durch ihr eigenes Sportprogramm stressen: Den ganzen Tag auf der Arbeitsstelle geschuftet, dann zeitlich knapp noch schnell zum Lauftreff, und hier dann mit der schnellen für ihn zu fitten Truppe eine Stunde durch den Wald hetzen? Das ist alles andere als entspannend. Der Sport muss ein Gegenpol zur stressigen Arbeit und zu einem stressbelasteten Alltag sein.

„Sport bei Tinnitus kann – wie Sport ganz allgemein – positive Wirkungen auf den Körper und das allgemeine Wohlbefinden haben“, schreibt Biesinger in seinem Buch. Zurückzuführen sei dies auf die Endorphine, das „Glücks- hormon“, das bei sportlicher Aktivität ausgeschüttet wird und sich stabilisierend auf die Psyche des Menschen mit Tinnitus auswirke, gerade im Hinblick auf eine positive Lebenseinstellung. Bei Depressionen weiß man (inzwischen durch zahlreiche Studien belegt), dass der Sport durch diese Wirkung ähnlich wirksam ist wie Psychopharmaka, also Medikamente gegen Depressionen.

Manche Betroffene berichten jedoch, dass sich die Ohrgeräusche durch Sport verstärken. Biesinger schreibt, dass der Tinnitus bei manchen während der Sport-Selbsthilfe lauter wird und rät dann, eine andere Sportart auszusuchen, ohne zu  hinterfragen, wie denn die Leute ihren Sport machen. Rennen sie, wie auf der Arbeit, gehetzt und gestresst durch den Wald oder fahren Sie mit dem Rad angetrieben von übertriebenem Ehrgeiz mit hochrotem Kopf über Berg und Tal? Häufig gibt es hier viele Parallelen zwischen dem Alltag des Einzelnen und der Art der sportlichen Betätigung (und somit dem Leistungs- profil bei der Diagnostik). Kein Wunder, wenn sich der Körper wehrt und ihm die Ohren klingeln. Wichtig hier vielmehr, erst einmal das richtige Maß im Sport zu finden, bevor die Sportart gewechselt oder gar das Sportprogramm über den Haufen geworfen wird. Zur Festlegung ist eine
Stoffwechsel- und Leistungsdiagnostik ideal.

Abschließend konstatiert Biesinger: „Es kann sich auch herausstellen, dass Sport nicht die für Sie geeigneteste Art der Selbsthilfe ist.“ Gerade bei Depressionen und Schlafstörungen, die den Tinnitus oft begleiten, zeigt sich ein moderates Maß an körperlicher Aktivität genauso wirksam wie Medikamente, was bereits vielfach durch die Wissenschaft bestätigt wurde. Mit Sicherheit gilt dies auch für den Tinnitus. Sport und Bewegung ist ein Multimedikament für die körperliche Gesundheit, weswegen diese Maßnahme unserer Meinung nach jedem Tinntus-Leidtragenden dringend empfohlen werden sollte. Das jedoch nur, indem die Rahmenbedingungen durch einen sportmedizinischen Check mit konkreten Trainingsempfehlungen festgelegt werden wie ein „Beipackzettel“, um sicherzustellen, dass der Betroffene mit Tinnitus das „Medikament Sport“ richtig anwendet.

Text: Diagnostikzentrum 09 / 2014
Literatur: Bissinger, E.. Tinnitus - Endlich Ruhe im Ohr, Stuttgart 2013



Autor Markus Weber

Markus Weber ist Leistungsdiagnostiker und Inhaber des Diagnostikzentrum Scheidegg, Friedrichshafen und Pfronten.